Interview mit Zeitfang

Zeitfang ist ein Sammelpunkt für die deutsche Musikszene. Der Fotograf begleitet die Underground-Szene seit 2018 mit seinem eigenwilligen Fotostil und hat dabei Größen wie Nina Chuba und Ski Aggu festgehalten. Jonas (Zeitfang) verbringt privat viel Zeit mit den KünstlerInnen, auch ohne auf den Auslöser zu drücken. Wenn dann mal ein Foto entsteht, wirkt es wie ein Schnappschuss unter Freunden. Diese persönliche und intime Stimmung wird auch auf seinen Bildern spürbar. Mitlerweile hat sich das Projekt Zeitfang erweitert. Auf dem Instagram Account @zeitersparnis werden KünstlerInnen auf Polaroids festgehalten und schreiben einen Lieblingsong von anderen KünstlerInnen und einen von sich selbst auf die Rückseite. Auf dem Splash 2024 gab es sogar eine eigene Zeitfang Bühne, auf der unter anderem Jassin und Filow aufgetreten sind. Aber auch eine eigene Zeitschrift gibt es, an der ein ganzes Team mitgearbeitet hat. Bei dem Pop-Up Event von eben dieser Zeitschrift, in Wien, hatte Jakob von Kunstfrei die Möglichkeit, mit Zeitfang zu sprechen. Enjoy <3

Eine von Zeitfangs Kameras

Jakob: Wie hast du angefangen? Wie hast du den Einstieg in die Szene gefunden?

Zeitfang: Ich kann das gar nicht so pauschal beantworten. Es wird tatsächlich bald einen Podcast geben, wo ich dann genauer darüber reden werde, wie das alles zustande gekommen ist. Dort werde ich auch mit den Artists darüber reden, wie wir uns kennegelernt haben usw. Aber grob zusammengefasst habe ich irgendwann 2018 einfach ein Festival angeschrieben, wo ich Lust hatte, mal Fotos zu machen und dann haben die mir einfach einen Fotopass gegeben. Im nächsten Jahr habe ich dann auch gemerkt, dass man damit weiterkommt wenn man halt einfach immer mal wieder Events anschreibt. Dort habe ich halt Fotos gemacht, habe mich connectet, meine Leute kennengelernt, Artists kennengelernt, und über die Zeit ist das dann einfach alles entstanden.

Es gehört natürlich irgendwie viel Engagement dazu, aber im Großen und Ganzen kann es jeder schaffen. Es gibt kein Geheimrezept oder so, sondern einfach, was ich immer allen rate ist, sich jeden Kontakt warm zu halten, und so Möglichkeiten zu schaffen, Fotos zu machen.

Jakob: Du hast auch mal gesagt, dass du ganz oft einfach nur mit den Artists chillst ohne Fotos zu machen. Wieviel Job ist das dann für dich?

Zeitfang: Es ist für mich nicht nur Arbeit, sondern ganz vieles entsteht einfach so nebenbei. Zum Beispiel hat Paula Hartmann 2022 mal Pressebilder gebraucht und dann haben wir uns einfach zusammen getroffen, sind anderthalb Stunden unterwegs gewesen, haben ein paar Fotos gemacht und waren danach noch zusammen essen.

Paula Hartmann

Ich mach das eigentlich immer so. Also, dass ich in einem Studio-Set ankomme, wo ich dann nur in einem Raum Fotos mache, hatte ich noch nie. Sondern es ist immer so, dass ich mich mit dem Artist zusammen auf den Weg mache. Gerade gestern war ich mit Jacob Elias, das ist ein Newcomer Pop Artist, auch hier unterwegs und sind erst, weil ich mein Auto umparken musste, zum Park & Ride nach Spittelau gefahren, sind von da aus dann losgelaufen und sind dann noch bei Swing Kitchen Essen gewesen. Also, ich sehe das nicht so als Job Job, sondern auch einfach als Möglichkeit. Mir ist es auch wichtig, dass nicht nur als reine Dienstleistung zu sehen, weil es ja auch voll was Persönliches ist, wenn man mit Artists so eng zusammenarbeiten darf und die fotografieren darf. Ich finde, dass meine Fotos, das ist auch das was mir die Leute sagen, irgendwie nahbarer und persönlicher sind.

Jacob Elias


Jakob: Das finde ich auch. Ich finde, deine Fotos haben diesen Disposable-Camera auf einer Party Vibe. Deswegen mag ich auch deine Fotos so gerne. Man kennt von Künstlern immer diese Pressefotos, die irgendwie versuchen diesen Künstler als Charakter aufzubauen und ein Image herzustellen. Und ich finde bei deinen Bildern ist es immer so was ganz persönliches.

Jakob: Du bewegst dich ziemlich eng in der Musikszene. Eigentlich fast ausschließlich. Ist das etwas, was du willst? Willst du aktiv nur in dieser Szene stattfinden? Oder hast du auch vor, anderswo Fotos zu machen.. in anderen Szenen?


Zeitfang: Nee, tatsächlich nicht. Also ich bin auf jeden Fall nicht im Modus, krass viele Commercial-Jobs oder ähnliches zu machen. Das habe ich zwar schon ein paar Mal gemacht, aber für mich ist die Vision hinter Zeitfang die Zeit einzufangen, das Momentum und die Menschen.,

Ich finde es einfach so schön, dass ich inzwischen irgendwie sagen kann, dass ich seit 3-4 Jahren in der Musikszene gewesn bin und viele Artists schon seit klein auf begleite. Das ist auch schon immer ein großer Teil von meiner Arbeit gewesen, dass ich immer auch Newcomer-Artists sehr supportet habe und entdeckt und mitbegleitet habe. Ich finde Name-dropping irgendwie immer blöd, aber ich kenne Ski Aggu, Nina Chuba, Paula Hartmann und alle möglichen, schon so lange und es ist so schön, die auf ihrem Weg begleiten zu können. Der Manager von Jassin hat letztens zu mir gesagt, dass ich ein Chronist wäre und ich fand das irgendwie ganz passend, weil ich inzwischen so die gesamte Szene halt festgehalten habe.

Jakob: Du bist auf jeden Fall ein Sammelpunkt der gesamten Deutschen-Szene. Was fasziniert dich so sehr an dieser Musikszene?

Zeitfang: Ich glaube es sind mehrere Sachen. Einerseits fühle ich mich selber da total wohl. Viel macht sicher auch aus, dass ich so viele Leute nicht aus diesem Star – Kontext kennengelernt habe, sondern ich habe sie wirklich schon von klein auf kennengelernt. Viele sind einfach auch Freunde, deswegen hab ich damals mit Analog angefangen, weil ich einfach Lust hatte, meine ganzen Friends analog festzuhalten. Wenn wir zusammengesessen haben, auf einer Party waren oder so, habe ich immer meine Kamera dabei gehabt und habe manchmal ein paar Schnappschlüsse gemacht. Und das ist eigentlich nichts anderes. Also klar, das ist jetzt mein Beruf, aber ich hab immer noch meine Friends, die ich fotografieren kann. Deswegen fühl ich mich da einfach voll wohl. Ich habe selber auch immer schon total gerne Konzerte oder Festivals besucht. Es ist dann relativ nahe gelegen das miteinadner zu verbinden.

Jakob: Du fotografierst mittlerweile nur noch Analog, hast du auch mal digital fotografiert?

Zeitfang: Ich habe ganz lange digital fotografiert, also was man halt so digital fotografiert. Ich habe viel fotografiert als Jugendlicher, wenn man im Urlaub war und so was. Ich war dann 2015, mit meinem Vater in New York und hatte da halt meine Digitalkamera mit und hab so viele Fotos gemacht, die ich dann überhaupt gar nicht mehr so richtig ausgewählt habe. Dann war ich zwei Jahre später nochmal in New York und hab dann bewusst nur mein Handy mitgehabt, mit dem ich halt Fotos gemacht hab und eine Polaroid-Kamera, mit der ich dann immer jeden Tag ein einziges Foto gemacht hab. Da hab ich dann bewust ausgewählt, was ist so mein Foto des Tages, da muss man sich immer noch voll überlegen, wo mache ich das jetzt und so. Und daraus ist dann das entstanden, dass ich auf Analog umgestiegen bin. Gerade dieses Polaroid-Thema begleitet mich ja immer noch voll, weil ich immer noch ein riesengroßes Projekt hab (Zeitersparnis) , wo ich Artists mit einem Polaroid festhalte und dann hinten noch einen Lieblingssong und einen von ihnen selbst aufschreiben lasse. Das mach ich jetzt auch seit 2021, von Anfang bis jetzt sind über 250 Polaroids und dementsprechend über 250 Artists zusammengekommen.

Polaroids von Zeitersparnis

Jakob: Und würdest du sagen, du bist jetzt da, wo du hin willst mit deiner Arbeit? Oder gibt es noch ein großes Ziel, was du so erreichen willst?

Zeitfang: Das ist eine Frage, die ich öfter mal gestellt bekomme, aber ich selber habe nicht so ein großes Ziel. Alles was ich gemacht habe, oder alles was so entstanden ist, ist so sehr organisch gewachsen. Ich habe nie gesagt, ich möchte in zwei Jahren einen Magazin rausbringen. Es ist alles immer so entstanden und deswegen bin ich nicht so, dass ich sagen kann, ich nehme mir jetzt etwas fest vor. Ich habe aber aktuell total Lust, noch mehr in die Musikszene einzutauchen, damit man Labelarbeit macht und Artists scoutet oder irgendwie sowas. Aber es gibt jetzt nicht so konkretes, wo ich sage, ich will nächstes Jahr Billie Eilish auf der Tour begleiten oder sowas, sondern schauen, was kommt.

Jakob: Ich finde organisch entstehen eigentlich immer die besten Sachen. Ich finde, wenn man sich etwas strikt vornimmt, wird es meistens weniger gut, als wenn etwas so organisch gewachsen ist.

Das Magazin war das mal so ein Kindheitsraum von dir und das hat sich jetzt so ergeben? Oder ist es jetzt wirklich aus dem Nichts entstanden?

Zeitfang: Also die Idee, mein Magazin nur mit meinen Fotos zu machen, hatte ich schon länger. Ich hatte auch schon länger die Idee, dass ich diese ganzen Elemente verbinden wollte, dass es nicht nur reine Fotos sind, so ein Table Book oder so, was man sich dann einmal anschaut und dann weglegt, sondern ich wollte es schon immer auch mit meinen Erfahrungen aus der Szene verbinden, auch mit Interviews. Ich wollte alles zusammenführen, was ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe. Und dann habe ich im letzten Jahr im April eine Umfrage gemacht, und dann hat mir jemand geschrieben, wann ich mein Magazin rausbringe und dann habe ich das reepostet und meinte, so, hättet ihr Lust? Und dann hat sich eine darauf gemeldet und meinte, wenn du mal Unterstützung beim Layout brauchst, dann sag Bescheid.

Das war Hanna, das war dann so tatsächlich der Startschuss. Und Hanna war dann auch so mit im Kernteam von der Zeitschrift. An der Zeitschrift haben zehn Leute mitgewirkt, weil ich von diesen ganzen Layouts und so weiter habe ich gar keine Ahnung. Es ist einfach so super detailliert und so fein ausgearbeitet, das ganze Ding. Das hätte ich niemals allein machen können. Und wie gesagt, Hanna war tatsächlich, wenn man es so will, der Startschuss für das Ganze, weil sie mir geschrieben hat. Und dann war ich so, ey, du hast mir das jetzt geschrieben, dann packen wir das jetzt an. Als ich dann veröffentlicht habe, dass ich an einer Zeitschrift arbeite, gabs so viel Resonanz, so viele Leute haben mir Mails mit Bewerbungen geschickt, dass sie gerne mitarbeiten würden. Und dann habe ich mit Hanna und Luca, einem guten Freund von mir, den ich auch schon lange kennengelernt, der auch layouted, ein Team gegründet. Mit dem Team waren wir dann im Endeffekt ja auch sogar auf Tour.

Jakob: Du hast vorhin gesagt, dass du nicht wirklich einen großen Masterplan hast für die nächsten Jahre, dass sich das organisch ergibt. Kannst du dir vorstellen, dass du das für immer machst?

Zeitfang: Also, ich glaube für immer nicht unbedingt. Natürlich, weiß ich das nicht, ich mache das einfach so lange es Spaß macht. Aber es ist schon auch nicht unanstrengend. Man muss halt immer sehr krass am Zahn der Zeit sein und man muss immer alles im Blick haben, was gerade passiert. Ich habe einfach immer viel Glück, dass ich ein gutes Händchen habe und früh Artists entdecke, so wie jetzt auch mit Jassin oder so. Es ist trotzdem anstrengend. Was man auch nicht unterschätzen darf, ich mache ja auch viel Festivalarbeit und Festival-Social Media. Es ist natürlich, wenn man im Jahr auf 5, 6, 7, 8 Festivals geht ist das schon anstrengend. Wenn man sich als Besucher auf ein Festival freut, dann bereitet man sich lang darauf vor und man überlegt sich, zu welchen Artists geht man, wen schaut man sich an und bei mir ist es einfach eine Arbeit und dementsprechend verschiebt es sich. Es macht mir weiterhin super viel Spaß und ich liebe das. Ich war z.B. jetzt gerade am Wochenende auf dem Superbloom und wenn man irgendwie Rin oder Provinz zum 20. Mal live gesehen hat, ist es irgendwann einfach nicht mehr so magisch, wie es am Anfang war. Es ist eine Arbeit, die irgendwie natürlich was Besonderes ist, weil man in einem sehr besonderen Feld arbeitet, mit Artists, die von der Gesellschaft als Stars aufgenommen werden, aber es ist trotzdem eine Arbeit inzwischen. Mit der Zeit geht einfach viel von der Magie verloren. Ich sehe mich auf jeden Fall nicht mehr mit Mitte 30, Anfang 40 auf dem Splash rumlaufen, um wieder mit dem neuesten Young Artist umherzurennen um von denen ein Schoutout zu bekommen.

Jakob: Wegen dieser Magie, die du jetzt vorhin meintest, gibt es so irgendwelche Leute, wo du das dann trotzdem noch hattest? Also Artists, wo du dann doch noch dieses Superstar-Gefühl hattest beim Fotografieren?

Zeitfang: Auch das ist wieder organisch gewachsen. Ich weiß noch, 2021, als ich über einen Kumpel von mir, der Tom Hengst kannte, ein Polaroid von ihm machen konnte, war das für mich das Krasseste, was ich ever erreicht hatte damals. Natürlich gibt es Momente, die aufregend sind, weil es irgendwie große bekannte Artists sind, die natürlich auch viele Begleitungen dabei haben, wo man schauen muss, wie man an sie rankommt oder über das Management anfragen und was weiß ich. Das gibt es natürlich immer wieder. Für mich sind es auch schon manchmal so Magic-Moments, dass ich, zum Beispiel mit Trettmann zusammenarbeiten durfte und ihn voll lange begleitet habe. Von Trettmann war ich immer schon super Fan von der Musik. Ich habe ihn dadurch auch privat total kennengelernt. Und das war einfach für mich voll magisch. Es sind ja alles total normale Personen. Jetzt auf dem Superbloom am Wochenende ist Sam Smith aufgetreten und das war für mich auch voll krass, dass man da halt das Konzert angucken konnte und so.

Jakob: Hast du ein Lieblingsbild von dir?

Zeitfang: Boah, das ist wirklich sehr schwer. Also bei mir ist es tatsächlich ganz oft so, dass so aktuelle Fotos Lieblingsbilder von mir sind. Ich habe zum Beispiel ein Foto, das ich aktuell voll mag, das habe ich von CRS gemacht, so ein Newcomer-Künstler. Da waren wir in Wien zusammen unterwegs. Oder ich war gestern mit Jakob Elias unterwegs und wir haben da auch ein Polaroid gemacht und das ist auf jeden Fall auch gerade eins von meinen Lieblingsfotos. Also es ist immer sehr unterschiedlich. So all-time favorites sind immer schwierig. Es gibt natürlich auch Fotos, wo so viel Geschichte dahinter steckt und bei denen man noch mal etwas Besonderes mit verbindet. Aber ja, so ein richtiges Lieblingsbild gibt es nicht.

Jakob: Ich glaube bei mir ist auch immer das letzte Foto, das ich gemacht habe, immer das Lieblingsbild. Weil das irgendwie sich anfühlt wie der letzte Entwicklungsschnitt.

Zeitfang: Ja, auf jeden Fall. Das finde ich auch wirklich interessant, weil man könnte auch denken, dass man irgendwann nicht mehr so einen Progress macht. Aber ich habe immer noch nach über sechs Jahren komplett nur analog, immer wieder noch Bilder, wo ich mir denke, geil, das ist echt auch nochmal richtig cool und das gefällt mir richtig. Deswegen immer weitermachen, das ist immer so das, was ich allen sage.

Jakob: Produzierst du auch noch andere Kunst? Zeichnest du, malst du, singst du?

Zeitfang: Ne, tatsächlich nicht. Das habe ich irgendwie aufgehört. Ich habe früher auch viel gezeichnet.

Jakob: Gibt es noch jemanden, den du gerne mal fotografieren würdest? So wie Tom Hengst vorhin, wo du jetzt gerade denkst, wenn ich die Person fotografieren würde, dann wäre das crazy.

Zeitfang: Ja, also das Ding ist, ich habe so eine lange Leidensgeschichte mit Billie Eilish. Ich war 2019 auf dem M.S. Dockville in Hamburg und wollte sie fotografieren. Sie is auch an mir im Backstage vorbeigelaufen und ich habe mich nicht getraut, sie zu fragen. Das hängt mir jetzt voll hinterher, weil sie inzwischen so riesig geworden ist, dass man eigentlich nicht mehr an sie rankommt. Sie war sogar vor ein paar Monaten in Berlin und da hatte ich über Universal angefragt, ob ich Fotos machen kann und es hat wieder nicht geklappt. Aber das ist so etwas, was ich noch nicht aufgeben will, vorallem weil ich glaube dass es von den Ästhetics voll matchen würde. Auch wenn das ein sehr krasses Ziel ist, Billie Eilish.

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